Fregatte F 220 "Hamburg" bei der Auslaufparade zum Hafengeburtstag 8. Mai 2010

 

 

 

 

 

 

 

 

 

GEDICHT DES MONATS

 

Ein Gedicht ist eine Sternschnuppe des Alltags.

 

 

April 2025

 

Hans Krech

 

Kaisertränen

 

Endlos rinnt aus grauem Himmel

Regen auf die Schwarzdächer Aachens,

löscht auch die Hoffnungskerzen

des Weihnachtsmarktes vor dem Rathaus.

 

Dunkelblau schlummern die

Heiligengeschichten erzählenden Glasfenster des Domes

- angelehnt an italienischen Marmor -

bewachend den goldschimmernden Sarkophag zu ihren Füßen,

in dem Kaiser Karl hemmungslos weinend betet.

 

Der Traum unseres grossen Ahnherren

von einem vereinigten friedlichen Europa

ist nur noch eine sehnsuchtsvoll schluchzende Orgelmelodie,

die in kalten Winternächten in unseren verlorenen Herzen nachhallt.

 

Der Thron auf der Empore,

errichtet mit den Bodenplatten der Grabeskirche Christi in Jerusalem,

von den Messern gelangweilter römischer Legionäre bekritzelt,

ist verwaist seit Jahrhunderten.

Der Weg hinauf verriegelt durch schwere Eisenketten

und eine Gittertür.

 

(geschrieben am Nachmittag des 21.11.2017 im Dom zu Aachen)

 

März 2025

 

Hans Krech

 

Mauerfall

 

Krachend stürzt die unüberwindliche Mauer

zwischen Freiheit und Massenknast,

zwischen Demokratie und Diktatur,

zwischen Hoffnung und Tod.

 

Das Volk hat die Barriere durchbrochen

und seine Entscheidung gefällt,

weise und mutig,

stolz und stark,

gewinnt die apokalypische Schlacht

um die Zukunft Deutschlands,

der Europäischen Union und der Welt.

 

Mit goldgelben Strahlen

schreibt die Morgensonne

die Parole der Sieger der Geschichte

auf die hellblaue Himmelsleinwand:

FREIHEIT!

 

(Hamburg, 26.10.2019)

 

 

Januar 2025

 

Hans Krech

 

Travelling home from Christmas

 

Im sanften Sinkflug landet die Dämmerung auf der Autobahn,

deckt alle bunten Farben mit ihrer grauschwarzen Schlafdecke ab,

herrschend über mit Rouladen und Stolle gefüllte schwere Bäuche

und geschenkesatte Seelen.

Die monotonen Bässe der Motoren des Postbusses

werden überlagert vom Coldplay-Gottesdienst in den Kopfhörern,

dem göttlichen Funken am Ausgang des Jahres.

"Viva la vida".

 

(26.12.2015, Rückfahrt von ZOB Halle/S. zum ZOB Hamburg im Postbus)

 

 

Dezember 2024

 

Hans Krech

 

Stillleben mit Weihnachtsmarkt

 

Rätselhafte Lichter wandern über die Tanne

auf der Binnenalster am Jungfernstieg.

Im Hintergrund Weihnachtsmelodien vom Broadway,

die gemischt mit Glühwein und Rum

in mich hineinfließen.

 

In kalter dunkler Winternacht

sanft träumend vom Aufstieg des neuen Jahres.

 

(geschrieben am 14.12.2014 gegen 18 Uhr auf dem Weihnachtsmarkt am Jungfernstieg nach dem Besuch der Sonderausstellung Stillleben von Max Beckmann in der Kunsthalle). 

 

 

November 2024

 

Hans Krech

 

Letzte Stellung bei Gandamak - Gedanken zu zwei berühmten englischen Gemälden zum Ersten Afghanisch-Britischen Krieg (1839 - 1842)

 

William Barnes Wollen: The last stand of the survivors of Her Majesty´s 44th Foot at Gandamak, gemalt 1898 im Auftrag der Essex Regiment Association, Leihgabe National Army Museum Chelsea/London.

 

Elizabeth Thompson Butler: Remnants of an army, Jellalabad, January 13, 1842, gemalt 1879, Tate Gallery London.

 

Die verbliebenen 65 Soldaten des 44. Regiments

sind auf einem Hügel bei dem Dorf Gandamak unweit des Khyber-Passes

auf dem Rückzug von Kabul nach Jallalabad

am 13. Januar 1842 von aufständischen Ghilzai-Paschtunen eingekesselt worden,

mitten im eisigen afghanischen Winter,

tapfer und verzweifelt den aussichtslosen Kampf

mit nur zwanzig Gewehren und vierzig Patronen bestreitend,

verlierend den Ersten Afghanisch-Britischen Krieg

im Kampf um die Vorherrschaft in Zentralasien

im Great Game gegen das Russische Zarenreich,

grob unterschätzend

den unbeugsamen historischen Freiheitswillen der paschtunischen Stämme,

an die schon Alexanders Heer seinen Siegeswillen verlor

auf dem Friedhof der Großmächte.

 

Von 16.500 britischen und indischen Soldaten

nur der Regimentsarzt Dr. William Brydon verwundet Jallalabad erreichend,

eine Lehrstunde der Geschichte für die Ewigkeit.

 

 

Oktober 2024

 

Hans Krech

 

Das große Tor von Kiew

 

Modest Mussorgski 1874 zu einem Bild von Viktor Hartmann in seinem Zyklus "Bilder einer Ausstellung", 10. Satz

 

Aufgestoßen das große Tor von Kiew

durch das standhafte ukrainische Volk

in Richtung Westen,

nach Europa,

hinaus aus dem sowjetischen Gulag

in die Freiheit.

 

(geschrieben am 14. Kriegstag, 9.3.2022)